Anna Dimtrova ist CFO des Telekommunikationsanbieters Vodafone Deutschland. Im Interview mit Rockingrobots erklärt sie, wie sich ihre Aufgaben im Zuge der Digitalisierung gewandelt haben und warum sie sich jetzt mehr als Chief Value Officer (CVO) versteht – auch mit der Hilfe von RPA.
Das Handelsblatt, eine der wichtigsten deutschen Wirtschaftszeitungen, hat Sie erst vor kurzem in die Reihe der fünfzig einflussreichsten Frauen der Tech-Branche in Deutschland aufgenommen. Gratulation …
Anna Dimitrova: Ich war überrascht und habe mich offen gestanden auch sehr gefreut.
Das belegt aber auch, dass die Rolle einer oder eines CFO sich in den vergangenen Jahren fundamental geändert hat. Eine CFO gilt als eine der einflussreichsten Tech-Frauen – das hätte es vor fünf Jahren noch nicht gegeben. Woran liegt das?
Dimitrova: Berufsbilder verändern sich, wenn es externe Impulse gibt – das passiert in den einen Unternehmen früher, in den anderen später. Die Digitalisierung ist starker externer Impuls, der auch das Berufsbild eines CFOs hin zu einem CVO (Chief Value Officer) verändert, bei einem Telekommunikationsunternehmen wie Vodafone sicherlich schneller und auch stärker als bei anderen Unternehmen. Natürlich bleibt die Kernaufgabe eines CFOs, die Finanzintegrität eines Unternehmens sicher zu stellen. Doch da kommen noch weitaus mehr Aufgaben auf uns zu.
Und die wären?
Dimitrova: Das ganze Spektrum, was die Mitarbeiter aber auch die Gesellschaft von einem Unternehmen erwarten, hat sich erweitert. Das gilt übrigens auch für den CEO, er wird nicht mehr alleine daran gemessen, ob die Unternehmenszahlen stimmen und die Shareholder zufrieden sind. Ein CEO muss heute auch bereit sein, die Entwicklung eines Landes zu unterstützen und auch viel präsenter zu sein. Ein CFO wird dabei häufig zum Mentor, Coach und auch Business Partner. Heute ist mein Blick auf das Unternehmen dreidimensional: Von Oben, von Vorne und ich blicke bis tief ins Innerste.
Wie sieht das in der Praxis aus? Kommen Fachbereiche auf Sie zu und machen Vorschläge, wie sie die Prozesse verbessern können – Stichwort RPA (Robotic Process Automation)? Oder ist es umgekehrt, dass Sie den Fachbereichen Lösungen anbieten?
Dimitrova: Sowohl als auch. Durch das umfassende Businessverständnis im Finance Bereich übernehmen mein Team und ich die Rolle eines Stakeholder Management für das gesamte Unternehmen und seine einzelnen Unternehmensbereiche. Wir liefern wichtige Entscheidungshilfen beim Zielerreichungsprozess und geben dadurch wichtige Denkanstöße. Die Digitalisierung ermöglicht uns dabei völlig andere Blickwinkel und öffnet neue Mittel und Wege.
Können Sie Beispiele dafür nennen?
Dimitrova: Wir haben früh damit begonnen, das digitale Kundeneinkaufs- und Serviceerlebnis auszubauen und weiterzuentwicklen. Der zweite Bereich betrifft interne Prozesse, beispielsweise bei der Frage wo wir einen neuen Shop eröffnen und in welchen Regionen wir die Netzkapazität erweitern. Ein weiterer Bereich ist die Digitaliserung des Einkaufs – zB der Purchase to Pay Prozess.
Und wie setzen Sie diese Projekte um?
Dimitrova: Wir schauen zuerst immer, ob es bereits übergreifende Prozesse in der Gruppe gibt, die man skalieren kann. Wir haben beispielsweise über 20.000 Mitarbeiter in Shared Service Centern, die standardisierte Transaktionen bearbeiten. Die können wir als Gruppe skalieren, dabei handelt es sich aber wirklich nur um ganz einfache Prozesse. Wir haben darüber hinaus weltweit das gleiche SAP-System im Einsatz, auch das hilft uns dabei, landesübergreifend Ressourcen zu bündeln. Ein weiteres Beispiel ist das Thema Margin and Revenue Assuarance, also wo verdiene ich und wo verliere ich Geld. Früher hat man die Abfragen mit SQLs im Data Warehouse erhoben, die Daten in Excel exportiert und dann noch ein paar Makros zur Auswertung geschrieben. Das ist natürlich nicht mehr zeitgemäß. Wir haben viele Daten in 26 Ländern – was wäre wenn wir durch Analytics und automatische Evaluation diesen Prozess vereinfachen und beschleunigen, um damit früh zu erkennen, wo es Handlungsbedarf gibt.
Aber in den einzelnen Ländern gibt es ja unterschiedliche Vorgaben, beispielsweise um den Wert eines Kunden zu berechnen. Kann man das alles mit einem Tool analysieren, dass dann überall eingesetzt wird?
Dimitrova: Die KPI-Definition (Key Performance Indicator) ist in allen Ländern gleich. Nehmen wir das Beispiel Umsatz pro Kunde, also ARPU (Average Revenue per User) – auch das ist in allen Ländern gleich definiert. Zwar hat jede Landesgesellschaft ihr eigenes Data Warehouse, , aber denoch organisieren sich unsere Teams – wie zum Beispiel die Margin Assurance – schon heute in sogenannten Communities of Practise. In diesen Teams werden Best Practise Anwendungen und Erfahrungen ausgetauscht und so standardisierte Tools vorangetrieben.
Welche Herausforderungen gibt es dabei noch?
Dimitrova: Robotic Scale setzt voraus, dass die Daten richtig sind und auch die Prozesse standardisiert sind. Meine größte Herausforderung ist aber die fragmentierte IT-Struktur. Vodafone hat sich über die Jahre durch Akquisitionen gewandelt – in Deutschland haben wir beispielsweise Arcor, Kabel Deutschland und Unitymedia gekauft, um nur einige Beispiele zu nennen. Mein Traum ist, dass vielleicht in zehn Jahren die Künstliche Intelligenz so schlau ist, dass sie die Tücken und Gefahren einer fragmentierten IT-Landschaft erkennen und ohne Fehler in eine einheitliche Struktur überführen kann.
Sie sprechen viel von der Gruppe, die die Digitalisierung vorantreibt. Aber gibt es Projekte, die nur auf Landesebene realisiert werden?
Dimitrova: In der Regel wird ein Markt für einen Piloten ausgewählt – das ist oft Deutschland – und wenn ein Projekt dann gelungen ist, wird es auf die anderen Länder ausgerollt. Ein Beispiel dafür sind die Verträge, die wir mit den Vermietern für die Basisstationen haben. Die Überprüfung dieser Verträge durchlaufen einen Robotics-Prozess. Ein anderes Projekt wurde in Italien getestet und wurde vergangenes Jahr in Deutschland implementiert. Dabei liest Künstliche Intelligenz Verträge mit unseren Kunden und vergleicht sie mit den Rechnungsdaten. Manchmal gibt es aber auch Lösungen nur in Deutschland, weil in den anderen Ländern die Prozesse dafür noch nicht bereit sind.
Welche Rolle spielen externe Berater?
Dimitrova: Unterschiedlich, externe Berater können wichtige Impulse geben, Benchmarks zeigen und auch engagiert werden, um ein Projekt durchzuführen. Als wir im Programm Digital Vodafone die agile Arbeitsweise und Strukturen eingeführt hatten, da hatten wir eine Beratung engagiert– weil wir das für alle Märkte gleich haben wollten. Außerdem haben wir Systemintegratoren, die uns bei der Umsetzung von Projekten unterstützten. Es gibt aber auch Projekte, für die wir Experten aus den internen Bereichen engagieren, damit das Know-how im Unternehmen bleibt. Wir arbeiten zudem auch mit Universitäten zusammen.
Wie bewerten Sie denn, ob Projekte für Sie erfolgreich sind?
Dimitrova: Post Implementation Review ist dafür der Fachbegriff und wir sind hier sehr genau. Darunter verstehen wir auf der einen Seite die Betrachtung der KPIs wie auch der Budgets und auf der anderen Seite schauen wir bei Projekten auch auf die Kundenzufriedenheit. Ebenso ist der Time to Market wichtig, und natürlich die finanziellen KPIs. Neu ist das sogenante Agile Finance Management, wo wir agile Projekte von der Finance Seite begleiten.
Kommt es auch vor, dass Sie Projekte stoppen?
Dimitrova: Natürlich kommt das vor, und wir sind da auch sehr konsequent.
Welche Einstellung haben Sie denn zum Einsatz von Robotern in Shops, macht das Sinn oder nicht? Sie hatten dazu einen Piloten in den Niederlanden …
Dimitrowa: Wir hatten am Anfang damit experimentiert, wie viele andere Unternehmen auch – und dafür Pepper im Einsatz. Das sorgte aber eher für ein Lächeln bei den Kunden, die Möglichkeiten sind einfach noch zu begrenzt. Die Fortschritte auf dem Gebiet sind allerdings enorm, wir beobachten das sehr genau.
Wie beurteilen Sie den Status quo der Digitalisierung in Deutschland, in vielen Studien heißt es ja, wir sind in diesem Bereich eher ein Entwicklungsland …
Dimitrova: Ich glaube, das ist auch von der Branche abhängig – E-Commerce liegt sicherlich weit vorne, der industrielle Mittelstand eher hinten. Die Vorreiter im Bereich der Digitalisierung sind aber ganz klar die USA und China. Dort sind die großen Tech-Konzerne angesiedelt und das politische System in China ist natürlich ein ganz anderes. In Deutschland befinden wir uns meiner Meinung im Mittelfeld , auch bezogen auf die Anzahl der Start-ups oder der Digitalisierungsprojekte. Ich würde mir wünschen, dass wir eine führende Digitalisierungsnation werden.Ich bin davon überzeugt, wir können das auch sein. Was uns fehlt, ist der Mut, Neues zu wagen und in neue Ideen zu investieren – auch auf die Gefahr, dass wir scheitern. Dazu kommt die aufgeblähte Bürokratie. Und wir brauchen den gemeinsamen Willen – also Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und auch Politik – daran zu arbeiten.