Viele Unternehmen setzen im Kundenkontakt mittlerweile Chat- und Voice-Bots ein, die Standardanfragen beantworten können. Doch auch weitere Dienste sind mit Künstlicher Intelligenz möglich.
Kennen Sie den Babelfisch? Er ist ein fiktives Lebewesen der Kultbuchreihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ des britischen Autors Douglas Adams. Der Babelfisch wird in dem Roman als kleine Kreatur beschrieben, die sich ins Ohr einführen lässt und dem Träger ein Verständnis aller gesprochenen Sprachen ermöglicht. Ohne diesen Babelfisch wären die fiktiven Reisen der Protagonisten Arthur Dent und Ford Prefect durch die Galaxis niemals möglich gewesen – schließlich hätten sie ohne ihn die unterschiedlichsten Lebewesen auf den vielen Planeten ihrer Reise nicht verstanden. Die Reihe hatte in den Achtzigerjahren Kultstatus – und der Babelfisch wird seitdem als Symbol für maschinenbasierte Übersetzungssysteme verwendet.
Mittlerweile ist Machine-Learning ein Teilbereich des Trendthemas Künstliche Intelligenz (KI). Im Zusammenspiel sind hier vielfältige neue Anwendungen im Bereich von Unified Communications and Collaboration (UCC) möglich sowie im Kundensupport möglich.
So funktioniert KI in der Kommunikation
Die Künstliche Intelligenz, englisch Artificial Intelligence, setzt sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens auseinander. Hierbei greift die Technologie auf eine Simulation künstlicher Artefakte zurück, die im Regelfall mit Computerprogrammen auf einem Computer ausgeführt werden. Die Definition des Begriffs lässt sich übrigens auf den amerikanischen Informatiker John McCarthy zurückführen. Diese benutzte den Begriff bereits im Jahr 1956 als Überschrift eines Projektantrags für eine mehrwöchige Konferenz. Im Zuge der Konferenz wurden zahlreiche Programme vorgestellt, die eigenständig Schach und Dame spielten, unterschiedliche Theoreme lösten und Texte interpretierten.
Viele Menschen nutzen heute bereits KI – häufig ohne sich dessen bewusst zu sein. Vor allem auf dem Smartphone suchen Anwender beispielsweise häufig über Sprachassistenten nach Geschäften in der Nähe – sei es über Google Assistant oder Siri von Apple. Das Smartphone nimmt die Fragen auf und schickt sie in eine Datenbank, in der die Anfrage bearbeitet wird. In dieser sind unvorstellbar viele Informationen enthalten, über Algorithmen werden dann die Antworten gefunden – und entweder per Sprache oder als Nachricht an den Anwender zurückgegeben.
Im Beruf gibt es eine ganze Reihe von Einsatzmöglichkeiten für KI – vor allem bei virtuellen Konferenzen, die seit Corona zum festen Bestandteil in der Zusammenarbeit von Teams über mehrere Standorte verteilt, gehören.
Zusammenarbeit in Teams – von KI unterstützt
Schon heute ist es beispielsweise möglich, eine virtuelle Konferenz aufzuzeichnen. Wird in einer Sitzung beispielsweise eine Präsentation gezeigt, so ist es ein Leichtes, diese in andere Sprachen zu übersetzen – dies gilt auch für Chat-Nachrichten.
In Zukunft wird es möglich sein, dass in einer Web-Konferenz ein KI-basiertes Übersetzungs-Tool eingesetzt wird, das das gesprochene und auch das geschriebene Wort in die gewünschte Sprache einzelner Teilnehmer in Echtzeit übersetzt. Vor allem für international agierende Unternehmen wäre das ein Meilenstein. Zwar hat sich Englisch in der internationalen Wirtschaft als Basissprache längst etabliert, dennoch ist es häufig schwierig, Gesprächspartner mit ihren unterschiedlichsten Dialekten und Akzenten auch wirklich gut zu verstehen. Dies kann vor allem bei Video- und Audiokonferenzen zu Missverständnissen führen, da die Sprachqualität häufig noch mangelhaft ist – vor allem wenn Teilnehmer sich mobil in eine Konferenz einwählen. Viele Anbieter von Collaboration-Tools arbeiten heute schon an entsprechenden Lösungen – und nutzen dabei die KI-Kompetenz von Google, IBM Watson und Co.
Weit verbreitet ist der Einsatz von KI zudem bei Contact-Centern.
KI im Kundenkontakt
Wer kennt das nicht: Man startet einen Chat – beispielsweise bei einem Online-Shop – weil man eine Frage zur Bestellung hat. Vor allem bei international agierenden Shops gibt es diese Chat-Funktion in vielen Sprachen, und so mancher Kunde mag sich wundern, wenn bei einem chinesischen E-Commerce-Anbieter auch Fragen auf Deutsch möglich sind.
Auch hier arbeiten im Hintergrund Computer und Software, die dank Künstlicher Intelligenz die Fragen und auch Antworten in die jeweilige Sprache übersetzen. Dabei sind nicht nur die Übersetzungen von Wortnachrichten (Chat) möglich, sondern auch Sprache (Voice-Bots) kann in Echtzeit übersetzt werden.
Wenn die Systeme ausgereift sind, können sie wertvolle Dienste leisten – im optimalen Fall bemerkt der Nutzer gar nicht, dass er es mit KI zu tun hatte. Wird allerdings keine Lösung eines Problems gefunden, so frustriert dies den Kunden – und er würde lieber mit einem menschlichen Agenten sprechen. Auch hierzu gibt es Studien.
Kommunikation mit Chatbots: Die Deutschen sind am unfreundlichsten
Dass Deutsche User deutlich unhöflicher zu Chatbots im Kundenservice als zu Mitarbeitern sind, geht beispielsweise aus Untersuchungen des Customer-Engagement-Software-Anbieters Freshworks Inc. hervor. Denn laut Freshworks ist der Einsatz von Bots in der EU seit dem Start des Lockdowns im März um mehr als 80 Prozent gestiegen. Das Verhalten von Menschen in Deutschland gegenüber Chatbots unterscheidet sich jedoch von zwischenmenschlichen Interaktionen im Kundenservice. So enthalten laut den Ergebnissen der Studie im Schnitt 92 Prozent aller Interaktionen mit Chatbots in Deutschland beleidigende Sprache oder Schimpfwörter.
Damit gehören die Deutschen nach den befragten Entscheidern gemeinsam mit den Niederländern (ebenfalls 92 Prozent) zu den unfreundlichsten Kunden in Europa. Sie liegen deutlich über dem europäischen Durchschnitt: Hier liegt der Prozentsatz bei 83 Prozent der Interaktionen, die Schimpfwörter enthalten.
Kunden ärgern sich über Chatbots
Doch woran liegt die Unfreundlichkeit gegenüber den technischen Helfern? Über ein Viertel der befragten Nutzer in Europa (26 Prozent) geben an, dass Chatbots bei dem Lösen ihrer Probleme versagt haben. Dies zeigt, dass Unternehmen die Programme noch nicht ausreichend in ihre Prozesse eingebunden haben und dass die Lösungen technologisch noch ausgefeilter werden müssen, um die Kundenerwartungen zu erfüllen.
Daran sollten Unternehmen jedoch dringend arbeiten: Wie eine frühere Studie von Freshworks zum Customer Engagement zeigt, hören über die Hälfte (56 Prozent) der befragten Kunden in den sechs befragten Regionen (USA, Großbritannien, Indien, Australien, Frankreich und Deutschland) nach einer negativen Erfahrung mit dem Kundenservice auf, sich für eine Marke und ihre Produkte oder Lösungen zu interessieren.
Allerdings: Chatbots sind bei peinlichen Themen beliebt
Wenn es um peinliche Fragen geht, sind digitale Gesprächspartner wiederum deutlich beliebter: 27 Prozent der befragten Menschen in Deutschland wenden sich mit Fragen an den Chatbot, bei denen es ihnen peinlich wäre, diese einem persönlichen Berater zu stellen.
Dabei liegen sie über dem Durchschnitt: 21 Prozent der Befragten in den erfassten europäischen Ländern wenden sich bei Themen, die ihnen gegenüber Menschen zu unangenehm sind, an Chatbots, in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen sogar 33 Prozent. Gerade jüngeren Menschen, die unangenehme Fragen diskutieren, ist es besonders wichtig, stets eine korrekte Antwort zu bekommen – was derzeit noch die Übergabe an einem menschlichen Mitarbeiter mithilfe der Unterstützung durch künstliche Intelligenz erfordern kann.
Trotz aller Kritik, immer mehr Unternehmen werden KI in der Kundenkommunikation einsetzen – um die menschlichen Agenten zu entlasten und auch Kosten zu sparen.
Boom mit Verzögerung
Laut einer Analyse von Gartner sollen sich Chat- und Voice-Bots mit Künstlicher Intelligenz in diesem Jahr durchsetzen. Die Marktforscher erwarten, dass 85 Prozent der weltweiten Interaktionen zwischen Konsumenten und Unternehmen über intelligente Bots erfolgen werden. Die Digitalisierungsexperten von Unymira haben wiederum 180 Service-Manager unterschiedlicher Branchen und Firmengrößen in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz) zum Thema Bots befragt – und dabei festgestellt, dass es in den Unternehmen noch großen Nachholbedarf gibt.
Aktuell haben demnach ein Drittel der Unternehmen Bots für den Kundenservice etabliert, davon 18 Prozent seit höchstens zwölf Monaten. Der vorhergesagte Boom lässt also noch etwas auf sich warten, dennoch wächst das Interesse der Unternehmen. Knapp 60 Prozent der befragten Firmen planen aktuell ein Bot-Projekt, davon 26 Prozent in den nächsten sechs bis zwölf Monaten.
Unternehmen, die bereits heute Bots einsetzen, heben die Vorteile hervor – zu denen unter anderem die Entlastung der Mitarbeiter und auch eine bessere Servicequalität zählen. Die Hälfte der Studienteilnehmer kritisiert aber den hohen Aufwand für Redaktion und Pflege. Zudem finden viele Unternehmen, dass KI-Bots bei komplexeren Themen und Dialogen nicht geeignet sind. Ein Grund dafür ist, dass das Trainieren von Bots für KI-gestützte Services aufwendig ist und das System aufgrund selektiver und unvollständiger Daten auch das Falsche lernen kann.
Photo: IPSoft, Amelia